ZUVERSICHT! – Fachtag zum Thema seelische Gesundheit in der Personenbetreuung

Am 16.05.2025 fand der Zuversicht!-Fachtag im Rathaus Graz statt. Organisiert und gestaltet wurde dieser von inspire und bot Fachimpulse, Vernetzung, Projektergebnisse und Handlungsempfehlungen zur seelischen Gesundheit in der 24-Stunden-Betreuung. Angesprochen wurden neben der Arbeitsbedingungen für Personenbetreuer:innen, der Selbsthilfe und Peer-Unterstützung auch anspruchsvolle Themen wie das Sterbeverfügungsgesetz.
Auch die geplante Vermittlung besprochener Thematiken über partizipative Theaterworkshops wurde durch Michael Wrentschur (InterACT) vorgestellt.

© Nikos Zachariadis

Journalistin und Moderatorin Claudia Gigler begleitete den Fachtag mit Erfahrungsberichten darüber, wie es Personenbetreuer:innen mit Herausforderungen und Hindernissen im heimischen Bürokratiedschungel geht und was es bedeutet, wenn sie selbst arbeitsunfähig werden.
Ca. 60.000 Personenbetreuer:innen arbeiten in österreichischen Privathaushalten, zumeist selbständig, viele davon im Alter armutsgefährdet.
97% sind weiblich und fast alle kommen aus Rumänien, der Slowakei, Bulgarien sowie Kroatien.

Eröffnungsrednerin war Michaela Wlattnig. Sie ist Juristin, Patient:innen- und Pflegeombudsfrau des Landes Steiermark sowie seit 2022 Sprecherin der ARGE der Patient:innen- und Pflegeanwaltschaften Österreich.
Sie stellte zunächst die Zuständigkeiten der Patient:innenanwaltschaft vor. In jedem Bundesland besteht eine Patient:innen- und Pflegeombudschaft, eine Beschwerdeeinrichtung, die Fälle prüft und Betroffene berät.
Zu deren Zuständigkeitsbereich gehört auch die kostenlose Information über und – bei Bedarf – die Errichtung von Sterbeverfügungen, in welche Personenbetreuer:innen als enge Vertrauenspersonen von zu pflegenden Personen zunehmend einbezogen werden könnten. 
Michaela Wlattnig regt mehr Aufklärung und einen breiteren gesellschaftlichen Diskurs über dieses Thema, sowie die Begleitung aller beteiligten Personen an. Beides sei in Österreich noch deutlich ausbaufähig.

Veronika Spiller (Selbsthilfe Steiermark/Jugend am Werkstellte die Angebote der Selbsthilfe Steiermark vor. 180 der in Österreich etwa 1.700 Selbsthilfegruppen und -Organisationen finden sich in der Steiermark. Selbsthilfe Steiermark unterstützt Personen bei der Gründung von Selbsthilfegruppen mittels Räumlichkeiten und Fortbildungsangeboten. Sie hebt hervor, dass die Gründung einer Selbsthilfegruppe Geduld erfordert. Bis eine Gruppe anläuft, dauert es in der Regel ein bis zwei Jahre.
Empowerment: Selbsthilfe Steiermark will Betroffene, die den Wunsch haben, eigene Kompetenzen zu vermitteln, stärken. Dabei handelt es sich stets um ein experimentelles Feld, da es kein Rezept gibt, wie eine „gute Selbsthilfegruppe“ aufgebaut werden kann. Selbsthilfegruppen entstehen vor allem in jenen Feldern, in denen Fachbereiche gewisse Bedarfe (noch) nicht erfüllen oder ein zusätzliches Angebot von Betroffene für Betroffene notwendig ist.
Veronika Spiller hob die Wichtigkeit der Selbsthilfe als Ergänzung zur Gesundheitsversorgung hervor und unterstrich dabei die Herausforderungen, die sich für Betroffene vor allem aus Zugangsschwellen und ungleich verteilten Ressourcen ergäben, was zu einer „stillen Selektivität“ in diesem Bereich führen könne.
Im Bereich der Personenbetreuung legt Spiller vor allem Betreuungsagenturen nahe, eine Schnittstelle zwischen Betreuer:innen und Selbsthilfeangeboten zu schaffen, da aktuell keine Selbstorganisation von Personenbetreuer:innen besteht. Hervorgehoben wurde, dass der Austausch zwischen selbst Erfahrenen eine ganz spezielle Qualität hätte, die besonders bestärkend und mutmachend sein kann.

Mehrere Vertreter:innen unterschiedlicher Selbsthilfe-Bewegungen nahmen am Fachtag teil, zum Beispiel Didi Ogris vom Verein Selbstbestimmt Leben Steiermark, Katharina Steiner von der SL-Steiermark-Frauengruppe und Ina Plattner vom Verein Achterbahn Steiermark.

Viktoria Adler vom Zentrum für Public Health an der MedUni Wien und Anna Ďurišová, Personenbetreuungs-Aktivistin und tätig bei der Beratungsstelle CURAFAIR, Volkshilfe OÖ, traten gemeinsam auf. Im Rahmen des Projektes „MigraCare“ haben sie bereits zusammengearbeitet. Ziel war, „24h-Personenbetreuer:innen“ besser ins österreichische Pflegenetzwerk zu integrieren. Zu diesem Zweck wurde eine online-Umfrage erstellt. 
Die Ergebnisse: Mehr Anerkennung und Respekt für die fordernde Tätigkeit, der schwierige Umgang mit dem unklaren Berufsbild „Personenbetreuung“, das leider Grenzüberschreitungen mit sich bringen kann (z.B. Putzarbeiten oder medizinische Tätigkeiten, für die keine spezielle Qualifikation besteht) und mangelnde Unterstützung in Krisen sowie zu wenig passende Bildungsangebote kamen zur Sprache. Zudem sei das österreichische Sozialversicherungs- und Abgabensystem schwer zu verstehen – selbst für gebürtige Österreicher:innen mit deutscher Muttersprache. Auch mangelhafte, intransparente und unfaire bis rechtswidrige Verträge seitens bestimmter Agenturen wurden thematisiert.

Edith Zitz von inspire stellte im Namen des Teams die Projektarbeit und Handlungsempfehlungen aus dem Projekt Zuversicht! vor: Auf verhältnispräventiver Ebene wurde das steirische Pflege- und Betreuungsgesetz gewürdigt, da es erstmalig einen Personenbetreuungs-Passus enthält. Allerdings ist der bei Landes-Förderung vorgesehene Regress ein Widerspruch zur Gesundheits-Strategie “mobil vor (teil-) stationär”. Die niederschwelligen Betreuerinnen-Cafés von inspire gemeinsam mit der Pfarre Herz-Jesu Graz und IG 24 eröffneten bei Kaffee und Kuchen Raum für Erholung, Vernetzung und Fachimpulse zu Gesundheitsförderung, Selbsthilfe und pflegebezogene Deutschkurse.
Jetzt werden WIR einmal bedient!
Austauschrunden (in Präsenz und Online) mit Stakeholdern und Multiplikator:innen zum Netzwerkausbau und mit pflegenden Angehörigen zeigten die Bedeutung von Informations-Weitergabe, aber auch der Zugewandtheit in belastenden Situationen auf. Zuversicht-Workshops für Personenbetreuer:innen zu „Umgang mit Demenz und mit sexueller Belästigung“ und zu „Sterbebegleitung“ mit Hinweisen auf Hospiz- und Palliativangeboten wurden in diesem Rahmen realisiert.
Es zeigt sich, dass der Austausch auf Augenhöhe und der Peer-Zugang vor allem in einem so sensiblen Sektor wie der Personenbetreuung von großer Bedeutung für alle Involvierten ist.

Michael Wrentschur, (InterACT) präsentierte „GETEILTES LEBEN. Partizipative Theaterworkshops zur Situation von 24-Stunden-Personenbetreuer:innen“.
InterACT ermöglicht marginalisierten Gruppen, denen die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe vorenthalten wird, über Theaterkunst Artikulations- und Partizipationsmöglichkeiten und bringt somit unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen in Dialog.
Im Vorfeld finden Theaterworkshops gemeinsam mit Personenbetreuer:innen statt, um die zentralen Anliegen herauszuarbeiten. Die Ergebnisse fließen in die Entwicklung einer Forumtheaterproduktion in Graz im November 2025 ein. 2027 werden im Rahmen von legislativen Theatervorstellungen konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen vorgestelt und deren Umsetzungsmöglichkeiten mit politischen Entscheidungsträger:innen diskutiert.