Am 30. und 31. Mai 2024 ging der trialogisch ausgerichtete Kongress zu seelischer Gesundheit und Recovery auf dem Areal des Inselspitals in Bern über die Bühne. Zentrales Thema war die Bedeutung peergestützter Angebote in der psychosozialen Versorgung.

Neben Vortragenden aus der ganzen Welt fanden sich rund 600 Teilnehmer:innen, unter ihnen Professionist:innen, Peerarbeiter:innen und Angehörige, zum trialogischen Informationsaustausch und zur Vernetzung in den Räumlichkeiten des Inselspitals ein. Die Peerbewegung der Steiermark war durch Sonja Mühlberger vom Verein Achterbahn vertreten.
Unter dem Titel „Psychiatrie in der Krise – Unterstützungsangebote neu gestalten“ lag der Fokus der Veranstaltung auf der Bedeutung der Peerarbeit in der psychosozialen Versorgung.
Die Inanspruchnahme psychiatrischer Angebote nimmt in allen europäischen Ländern und weltweit zu. Dies übersteigt mittlerweile die Kapazitäten in allen Versorgungsbereichen. Darauf gibt es noch keine Antworten der politischen Entscheidungsträgern und Fachexpert:innen. Der Ausbau des Bestehenden hinkt dem Bedarf der Hilfesuchenden hinterher. Gleichzeitig führt dieser jedoch zu einer Überdehnung des Angebots. Der Fachkräftemangel heizt die Problematik zusätzlich an. Die Peerarbeit kann hier wertvolle Dienste leisten. Dabei beraten und begleiten Menschen, die eigene Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen bewältigt haben, s.g. Erfahrungsexpert:innen, Menschen in psychosozialen Problemlagen auf Augenhöhe und niederschwellig. (vgl. Artikel „Yes we can! Selbsthilfe wirkt“ von Michaela Wambacher in der aktuellen Ausgabe der HPE-Zeitschrift Kontakt: „Hilfe in psychischen Krisen“)
Eröffnet wurde die Veranstaltung von Nationalrätin Sarah Wyss. Unter anderen internationalen Größen des Psychiatriesektors kam auch Fachärztin und Oberärztin an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Universität Wien, Prof. Dr. med. Michaela Amering als Vortragende zu Wort. Sie gilt als die erste und wichtigste Unterstützerin der Peerbewegung in Österreich aus der Fachwelt.
In der Schweiz ist die Peerarbeit bei psychischer Erkrankung bereits seit über 40 Jahren fix in der psychosozialen Versorgung verankert. Ein Beispiel dafür ist der „Soteria-Ansatz“. In der Soteria Bern werden jüngere Menschen (in der Regel 16 bis 40 Jahre alt) aufgenommen, die sich in einer psychotischen Krise oder in einer Adoleszenten- oder anderen Entwicklungskrise befinden.
Die Referent:innen auf dem Kongress waren sich einig, dass Peerarbeit im stationären wie im ambulanten Bereich eine sinnvolle Erweiterung der psychosozialen Versorgung ist und ebenso wie die trialogische Zusammenarbeit zwischen Fachexpert:innen, Erfahrungsexpert:innen und Angehörigen von Menschen mit psychischer Erkrankung weiter verstärkt werden soll. Außerdem wurde eine weitgehende Reduzierung der Zwangsmaßnahmen im stationären Setting gefordert.
Während sich Peerarbeit in einigen europäischen, aber vor allem im angloamerikanischen Raum als fixe Säule in der psychosozialen Versorgung etabliert hat, sieht es damit in Österreich ehr sclecht aus. Hierzulande fehlen kontinuierliche und einheitliche Ausbildungsangeboten für Peers. Außerdem kämpft die österreichische Peerbewegung seit Jahren um die Verankerung des Berufsbildes in das Sozilabetreuungsberufegesetz, was angesichts des Förderalismus eine Herkulesaufgabe ist.
LINK: recovery-psychiatrie.eu