Anlässlich des internationalen Frauentages gewährte uns die Mitbegründerin der SchwalbeAngelika Vanek-Ennyinaya Einblicke in ihre wertvolle Arbeit und erzählt uns von ihrer persönlichen Erfahrung mit psychischer Erkrankung!

Im Frühling 2008 lernte Angelika Vanek-Enyinnaya als Patientin der Sigmund Freud Klinik Graz zahlreiche Menschen – vor allem Frauen – kennen, die aufgrund einer Lebenskrise mit der Problematik des Wohnens und Arbeitens in der Zeit nach dem Krankenhausaufenthalt konfrontiert waren. Im Gespräch mit ihren Mitpatient:innen erfuhr sie, dass bei vielen von ihnen große Ängste vor dem Entlassungstermin bestanden, da sie sehr verunsichert waren, wie sie den Alltag nach der Klinik bewältigen sollten. So entstand noch während des Klinikaufenthaltes die Idee, für Frauen, die durch eine psychische Krise oder eine schwierige Lebenssituation vorübergehend nicht in der Lage sind, selbständig zu wohnen und einer regelmäßigen Beschäftigung nachzugehen, im Rahmen einer Selbsthilfeinitiative einen Verein zu gründen und eine Wohngemeinschaft ins Leben zu rufen, in der Frauen durch das Leben in Gemeinschaft soziale Unterstützung erfahren und durch ein Beschäftigungsmodell Anerkennung ihrer persönlichen Fähigkeiten im Rahmen ihrer momentanen Möglichkeiten finden.

Das Wohnhaus Die Schwalbe versteht sich als Ergänzung zum umfangreichen professionalisierten Angebot im psychosozialen Bereich in Graz und in der Steiermark, wobei der besondere Aspekt der Betroffenenarbeit essentieller Bestandteil des Betreuungskonzeptes ist.

Im teilzeitbetreuten Wohnhaus Die Schwalbe finden Frauen nach einem längeren stationären Aufenthalt in der Psychiatrie einen Platz in einer familiären Wohngemeinschaft und werden von Montag bis Donnerstag von 8.00 bis 16.00 Uhr und Freitag von 8.00 – 14.00 Uhr von Psychiatrieerfahrenen, die auch über eine Ausbildung im psychosozialen Bereich verfügen, betreut.
Der maximal drei Jahre dauernde Aufenthalt im Haus soll soweit zur Stabilisierung beitragen, dass ein selbständiges Wohnen und eine Rückkehr in die Arbeitswelt wieder möglich werden.

Das Angebot des Wohnhauses Die Schwalbe richtet sich an Frauen ab 18 Jahren mit psychischen Erkrankungen, bei welchen die akute Symptomatik bereits therapeutisch und medizinisch behandelt wurde. Ein reflektierter Umgang mit der eigenen Erkrankung und eine bewusste Entscheidung dafür, Hilfe anzunehmen und den Weg der Selbsthilfe gehen zu wollen, sind neben der selbständigen Wohnfähigkeit unter anderem Grundvoraussetzungen für die Aufnahme. Die Zuweisung von Bewerberinnen erfolgt z.B. über die Sozialarbeiter:innen von psychiatrischen Kliniken, über psychosoziale Beratungsstellen, niedergelassene Therapeut:innen oder Fachärzt:innen.
Im Rahmen eines Erstgesprächs findet ein erstes Kennenlernen zwischen Bewerberin und Betreuerinnen statt. Vor der endgültigen Aufnahme gibt es einen Schnuppertag und in weiterer Folge eine Schnupperwoche.

Über ihre persönliche Erfahrung mit psychischer Erkrankung erzählt uns Angelika Vanek-Enyinnaya:

In meiner persönlichen Krise hat mir vor allem Klarheit geholfen. Da ich zu Beginn meiner Krise überzeugt war, organisch schwer krank zu sein, hat es mir sehr geholfen in den medizinischen Befunden schwarz auf weiß zu sehen, dass dem nicht so war. Besonders geholfen hat mir auch, als mir eine Krankenschwester nach zwei Wochen Klinikaufenthalt mit unzähligen Panikattacken endlich erklärt hat, dass mir kein Herzinfarkt drohte, sondern dass es sich bei meinen Zuständen um Panikattacken handelte. Wohltuend war auch das Gefühl, in der Klinik völlig entlastet vom Alltag zu sein: ich musste nicht kochen, nichts erledigen, konnte stundenlang lesen, Tischtennis spielen und an den Therapien teilnehmen …. das hat sehr gut getan. Und besonders entlastend war natürlich, dass ich wusste, mein kleiner Sohn war bei den Großeltern gut aufgehoben und meine Familie unterstützt mich auch nach der Entlassung aus dem Krankenhaus.

© Angelika Vanek-Enyinnaya

In diesem >>BEITRAG berichtet Vanek-Ennyinnaya ausführlich über ihre Erfahrungen und die Entstehungsgeschichte der Schwalbe.

Es ist Absurd, dass Betroffene ihre Diagnose vor sich selbst verleugnen müssen:
Stigmatisierung und Vorurteile über psychisch erkrankte Menschen sind nach wie vor in der Gesellschaft verankert. Diese erfährt die Mitbegründerin der Schwalbe regelmäßig:

Das erlebe ich in meinem beruflichen Alltag so gut wie täglich. Der gesellschaftliche Druck „normal“ funktionieren zu müssen, ist enorm und spiegelt sich in vielfältiger Form in den Geschichten unserer Bewohnerinnen wider. Es ist immer wieder traurig mitzuerleben, wie dieser Druck, der ja in allererster Linie meist durch die Familie an die Frauen weitergegeben wird, Genesung verhindert.

Besonders betroffen macht es mich auch, wenn ich miterlebe, dass Menschen glauben, wenn sie sich nicht behandeln lassen, dass sie dann nicht psychisch krank sind. Wie absurd ist es, dass Betroffene ihre Diagnose sogar vor sich selbst verleugnen müssen, aus Angst stigmatisiert zu werden! Dies wäre bei Diabetes oder Gastritis wohl kaum der Fall…

Ihre Message zum internationalen Frauentag – insbesondere an Menschen in psychischen Krisen:

Psychische Erkrankungen sind zum großen Teil ein gesellschaftliches Themanämlich in dem Sinne, dass ihre Ursachen häufig in gestörten zwischenmenschlichen Beziehungen, Gewalt in der Familie, sexuellem Missbrauch etc. zu finden sind und in dem Sinne, dass es unsere Gesellschaft nach wie vor regelmäßig verabsäumt, Kinder, aber auch Erwachsene, vor solchen Übergriffen rechtzeitig zu schützen. Mit oft lebenslänglichen Folgen für die Psyche der Betroffenen. Bei meiner Arbeit in der Schwalbe erlebe ich immer wieder, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen das Gefühl haben, finanzielle Hilfe wie Reha-Geld, Sozialunterstützung etc. stünde ihnen nicht zu, da sie selbst an ihrer Situation schuld zu sein glauben. Meiner Meinung nach ist es das Mindeste, was unsere Gesellschaft tun kann, Menschen, die von dieser Gesellschaft nicht ausreichend geschützt wurden, zumindest finanziell zu unterstützen, auch wenn kein Geld der Welt den erlittenen Schaden jemals gut machen wird können.

Auch hier finden Frauen in Lebenskrisen und/oder schwierigen Situationen Unterstützung:

  • PsyNot Psychiatrisches Krisentelefon Steiermark 0800 / 44 99 33
  • KIT Stmk 130
    psychosoziale Akutberatung
  • Telefonseelsorge 142
    Außerdem Chat tgl. 16 – 23 Uhr und Emailberatung
  • Frauenservice Graz 0316/ 716 022
    Telefonische Erreichbarkeit Mo, Mi, Fr 9 bis 13 Uhr und Di, Do 9 bis 15 Uhr
    Online- und Emailberatung möglich
  • Frauenhelpline gegen Gewalt 0800/ 222 555
    Kostenloste telefonische Erst- und Krisenberatung für Frauen*, Kinder und Jugendliche, die von Gewalt betroffen sind. Muttersprachliche Beratung in Arabisch, Bosnisch-Kroatisch-Serbisch, Englisch, Rumänisch, Spanisch, Türkisch und Dari-Farsi
    Onlineberatung bei Gewalt: www.haltdergewalt.at 
  • Frauenhaus Graz Kapfenberg 0316/42 99 00


Der internationale Frauentag macht weltweit auf die Situation von Frauen und Mädchen aufmerksam. Auch in Graz und der Steiermark finden rund um den 8. März Veranstaltungen statt.

Eine Übersicht aller Termine gibt es unter:
>> https://0803.at/termine/