Ins Glück stolpern: Wie beeinflusst uns unser Zukunftsdenken?

Ins Glück stolpern: Wie beeinflusst uns unser Zukunftsdenken?

Die Gegenwart ist die Zeit, in der alle Prozesse ablaufen. Warum es so wichtig ist, im Moment zu leben und warum es zumeist gar nicht ratsam ist, in Gedanken in die Zukunft zu schweifen, damit setzt sich Any in einem Beitrag auseinander.

Daniel Gilbert ist Harvard-Professor und Psychologe sowie Glücksforscher. In seinem Buch Ins Glück stolpern schreibt er über unsere Fähigkeit, sich die Zukunft vorzustellen, und darüber, ob wir überhaupt voraussagen können, was uns in Zukunft glücklich machen wird bzw. ob uns dieses „Zukunftsdenken“ weiterbringt.

Ins Glück stolpern sei laut Daniel Gilbert kein Selbsthilfebuch, sondern er berichte darin auf wissenschaftliche Weise über die menschliche Fähigkeit des „Zukunftsdenkens“ und ziehe dabei unterschiedliche Disziplinen – darunter die Psychologie, Philosophie und Neurowissenschaft – heran. Das Buch vermittle den Leser*innen also nicht, wie man glücklicher werden könne, sondern warum man oft nicht vorhersagen könne, was einen in Zukunft glücklich machen werde. Der Autor definiert dabei den Begriff „Prospektion“ – in die Zukunft „blicken“, also sich über die Zukunft Gedanken machen. Ich verwende in diesem Artikel den Begriff „Zukunftsdenken“ dafür. Wir stellen uns viele Varianten der Zukunft vor und treffen Entscheidungen auf Basis dessen, was uns laut unserer Vorstellung in Zukunft am glücklichsten machen würde. Doch wenn wir diese Dinge (z.B. einen lukrativen Job, eine Familie, ein Haus etc.) erreichen – ist es tatsächlich das, was uns glücklich macht?

Warum ist also das Zukunftsdenken kein geeigneter Weg, Glück zu finden?
Durch die Evolution des menschlichen Gehirns sei der Frontallappen des Menschen rapide gewachsen, so der Autor. Darum sei der Homo sapiens dazu fähig, in eine Zukunft zu blicken und „was wäre, wenn …“ zu spielen. Doch wir könnten eben nicht genau voraussagen, was uns in fünf, in zehn, in fünfzig Jahren glücklich mache, da unser Urteilsvermögen durch verschiedene Faktoren getrübt sei. Zum Beispiel würden Details in der fernen Zukunft weggelassen, in der nahen Zukunft sich aber sehr wohl genau vorgestellt. Der Mensch könne sich außerdem viele Details gar nicht vorstellen und würde wichtige Informationen hinzufügen sowie auslassen. Das bedeute also, dass wir uns vieles vorstellen können, doch wie wir uns in einer Situation wirklich fühlen würden, könnten wir in der Gegenwart nicht wirklich beurteilen. Der Mensch ist eben kein perfektes Wesen und besitzt keine hellseherischen Fähigkeiten. Zukunftsdenken ist sinnvoll, jedoch ist es kein genaues Abbild der Zukunft und kann uns demnach auch nur die Richtung zeigen, wo wir hinwollen. Sie sagt jedoch nicht hundertprozentig voraus, was uns später glücklich machen wird, worüber wir uns bewusst sein müssen.

Mein persönliches Fazit nach dem Lesen des Buches Ins Glück stolpern entspricht dem, was die Meditationslehre und die Lehre über Achtsamkeit empfehlen: Lebe mehr im Moment, suche Dinge, die dich im Jetzt glücklich machen und sei dankbar für das was du hast; sei achtsam für die Schönheit der Welt und des Lebens, dann erst kannst du das Glück im Hier und Jetzt finden. Versuch, ab und zu dein Gehirn „abzuschalten“ und nicht das Glück in der Zukunft zu suchen, denn du weißt noch nicht, wie diese Zukunft genau aussehen wird. Es gibt fast immer Schönheit und Freude im Hier und Jetzt, doch manchmal denkt man, dass Dinge in Zukunft besser wären, sodass wir das Leben gar nicht mehr genießen können. Diese Philosophie halte ich für mich am sinnvollsten, auch wenn ich aufgrund meiner psychischen Erkrankung oft weit davon entfernt bin, mich glücklich zu fühlen. Zu oft stehen mein Leiden, mein körperliches und psychisches Unwohlsein mir im Wege, um mich glücklich zu fühlen.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich glücklicher wäre, hätte ich keine Depression, weshalb es wichtig ist, seine psychische Erkrankung behandeln zu lassen – mit Psychotherapie und wenn nötig mit Medikamenten sowie psychologischen Angeboten, die in meinem Wohnort Graz reichlich vorhanden sind. Ich schätze darum mein jetziges Leben, in dem ich eine soziale Wärme spüre, mir Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und es darum immer wieder auch Situationen und Momente gibt, in denen ich glücklich bin. Nach dem Lesen des Buches ist mir bewusst geworden, dass Glück kein Dauerzustand ist, sondern ein Gefühl. Ein Gefühl, nach dem die Menschen streben und wofür es sich zu leben lohnt. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, die Schattenseiten des Lebens anzuerkennen, denn diese bleiben niemandem verwehrt. Im Großen und Ganzen gibt es immer Licht und Dunkelheit, doch die Graustufen zu erkennen und zu akzeptieren sowie in Balance zu kommen, das erscheint mir als gute Aufgabe für dieses Leben.

Verfasst von: Any MG


schrägstrich Der Artikel ist 2023 in der Dezember-Ausgabe der Schraegstrich erschienen und kann dort in voller Länge nachgelesen werden. Das Magazin erscheint seit 2010 regelmäßig. Alle Artikel werden von Menschen mit psychischen Erkrankungen im Rahmen ihrer Betreuung bei pro mente steiermark verfasst.