Mutausbruch: Peergeleitetes Gruppenangebot für Betroffene von Gewalt

Die Entstehungsgeschichte
Die Idee zu Mutausbruch hatte Greta Pomberger, als sie im Zuge ihrer kriminologischen Dissertation „Vom Opfer zum Serienopfer – Ursachenforschung zur Reviktimisierung von Frauen als Opfer von sexualisierter Gewalt in Österreich“ (Universität Wien 2023) forschte.

In diesem Rahmen führte sie nicht nur umfassende Aktenrecherchen zu Klientinnen des BAFÖ in ganz Österreich, sie analysierte auch die bestehenden Unterstützungsangebote für Betroffene von (sexualisierter) Gewalt. Der Austausch mit weiteren Expert*innen zeigte, dass die Betreuungsangebote für Frauen* in Akutsituationen sehr gut aufgestellt sind. Allerdings fehlen oft niederschwellige Nachbetreuungsangebote sowie gegenseitige Unterstützung unter Betroffenen – ein Konzept, das im angloamerikanischen Raum bereits erfolgreich etabliert ist. Sie schmiedete nach Beendigung ihres Doktorats also Pläne zur Umsetzung des Projekts und wurde dabei fachlich und organisatorisch tatkräftig von ihrem Partner Patrick Spindelböck unterstützt.

Greta Pomberger musste in jungen Jahren selbst mehrfach Gewalt erfahren. Sie denkt, dass es fast keine Frau* gibt, die in ihrem Leben nicht in irgendeiner Form Gewalt erlebt. Das dennoch viele Erfahrungen noch immer „totgeschwiegen“ oder – falls kommuniziert – „nicht gehört“ werden, zeigt wie wichtig auch diese Gruppe ist, um dem Thema Raum zu geben.

Diese Erkenntnisse führten zur Entstehung des Pilotprojekts Mutausbruch, dessen Langtitel lautet: „Stärkung von gewaltbetroffenen Frauen* durch niederschwellige, informelle Gemeinschaftsunterstützung.“

Die Menschen hinter dem Projekt
Mutausbruch
 ist ein Projekt, das von der Ecosocial Mind OG als Unternehmen getragen wird.

Die Gesellschafter*innen dieser OG sind Patrick Spindelböck und Greta Pomberger.
Sie haben soziologischen und kriminologischen Fachbackground, demnach die fachliche und inhaltliche Idee zum Projekt und haben es gemeinsam konzipiert. Ihnen obliegt auch die Projektleitung.
Ebenso zum Team gehören Steffi (Sozialarbeiterin) und Renate (Sozialpädagogin), die mit viel Feingefühl und Fachwissen die Gruppen leiten und den Kontakt mit den Teilnehmenden haben.

(Foto: Bernhard Schindler)

Ziele und Hintergründe
Das Team nimmt wahr, dass im Bereich des Gewaltschutzes in Österreich noch viel zu wenig auf den Peer-to-Peer Austausch gesetzt wird. Außerdem gibt es viele Gewaltbetroffene, die sich (noch) nicht an andere Organisationen in Akutsituationen oder die Justiz wenden wollen oder dies schon getan haben und dort nicht das erwartete Gehör fanden.
Genau diesen Personen soll ein sicherer Raum zum Austausch und zur gegenseitigen Unterstützung geboten werden.

Das Gruppenangebot
Derzeit gibt es zwei Mutausbruch-Gruppen. Die Grazer Gruppe findet 3x im Monat (jeweils an den ersten drei Freitagen im Monat) von 10-13 Uhr in 8020, Graz statt.
Eine zweite Gruppe findet seit 28.2.2025 jeden letzten Freitag im Monat in Graz-Umgebung (Gratwein) statt.

(Foto: Ecosocial Mind)

Die genauen Orte der Treffen werden den Personen nach formloser Anmeldung via Mail an hallo@mutausbruch.at mitgeteilt. Die Teilnahme an den Gruppen ist  unverbindlich und freiwillig. Die Gruppen sind auch jederzeit offen für neue Teilnehmende.

Eine Support Group ist eine Gemeinschaft, in der Menschen mit ähnlichen Erfahrungen zusammenkommen, um sich gegenseitig zu unterstützen. In den Gruppe werden Erlebnisse mitgeteilt, emotionaler Beistand und praktische Ratschläge geboten, um gemeinsam Wege zur Heilung und Selbststärkung zu finden.

Zielgruppe
Die Gruppe ist offen für alle FINTA-Personen, die Gewalterfahrungen (aller Art) machen mussten. Das Team freut sich über Teilnehmende ab 18 Jahren, nach oben hin gibt es keine Altersgrenze.

Ablauf der Gruppentreffen
Für gewöhnlich werden 15 Minuten zum Ankommen benötigt (Tee/Kaffee machen, Platz suchen, sich gegenseitig begrüßen). Dann wird im gemütlichen Sesselkreis mit einer Vorstellungs- bzw. Updaterunde gestartet, wo jede Person von den letzten Wochen und sich selbst erzählt. Natürlich immer nur so viel, wie man selbst möchte. Meistens kommen von ganz allein Themen auf, die länger besprochen werden.

Flache Hierarchien
Alle sind an der Gruppengestaltung beteiligt und bringen sich ein, wenn sie möchten. Das Verhältnis untereinander ist sehr vertraut und unterstützend und im Allgemeinen lässt sich sagen, dass auch Humor – an passender Stelle – nicht zu kurz kommt. Neben dem Austausch ist es auch möglich und gewünscht, dass die Teilnehmenden die Inhalte der Treffen mitgestalten, sprich: mitteilen, welche Infos sie brauchen und welche Aktivitäten sie gerne machen würden.

Greta Pombergers Message 
Betroffene sind niemals (mit-)schuld an ihren Gewalterfahrungen und sie können absolut nichts für das Unrecht, das ihnen damit widerfahren ist. Wir denken aber, dass man dennoch Verantwortung für das was einem passiert ist, übernehmen muss, damit man heilen und ein gewaltfreies Leben führen kann. Das ist keineswegs fair und natürlich auch nicht einfach, aber unsere Gruppe ist dazu da, diesen Weg gemeinsam zu gehen und sich dabei zu unterstützen.  

Wenn Sie das Gefühl haben, dass eine Ihnen nahestehende Person das Bedürfnis nach einem Austausch mit anderen Betroffenen hat, dann zeigen sie ihr doch einmal unsere Website. Dort haben wir auch ein FAQ, bei dem viele Fragen zu den Treffen beantwortet werden. Sollte sich die betroffene Person für die Gruppe interessieren, aber dennoch unsicher sein, dann kann sie gerne mit uns Kontakt aufnehmen und Steffi und Renate vertraulich ihre Fragen stellen, oder sich sogar zu einem gemütlichen Vorgespräch unter 4 Augen mit einer von ihnen treffen. Wir begleiten jede Person sanft, sodass sie Zugang zu unserer Gruppe in ihrem Tempo findet.

Wichtig ist, Betroffene niemals zu etwaigen Schritten zu drängen, sondern Unterstützung und Informationen bereitzustellen, die sie annehmen können, wenn sie selbst es möchten.

Was gehört im Hinblick auf Aufklärung und Unterstützung für Betroffene in Österreich noch getan?
Wir müssen uns der internalisierten Misogynie in unserer Gesellschaft bewusstwerden und dieser in allen Gesellschaftsstrukturen entgegenwirken.

Abgesehen davon, muss Österreich endlich internationale Rechtsakte (wie die Istanbul-Konvention) zum Schutz von Gewaltopfern ausreichend umsetzen, sodass u.A. auch das Vertrauen von Betroffenen in die Ermittlungsbehörden/Justiz gestärkt wird. Seit einigen Jahren wird viel Zeit in „Begründungen“ investiert, warum bestimmte Opferschutzrechte nicht/oder nur teilweise umgesetzt werden können. Die Gesetzgebenden Organe müssen den Dialog mit Expert*innen aus verschiedenen Disziplinen suchen und deren Empfehlungen tatsächlich in die Gesetzgebung einbeziehen.

Die Grundlage für diese beiden Empfehlungen meinerseits ist die faktische Gleichstellung der Geschlechter. Aktuell sieht es so aus, als würden wir uns davon immer weiter entfernen. 
Ich befürchte, dass sich das auch auf allen Ebenen negativ auf die Lage von Gewaltbetroffenen auswirken wird. Daher ist es umso wichtiger, dass sich nicht nur Expert*innen und Betroffene, sondern alle Menschen, die sich dieser Gefahr bewusst sind, verbünden und gemeinsam für eine faktische Gleichstellung einsetzen.

Mehr zum Projekt „Mutausbruch“ findet ihr >> HIER